WGfF - Aachen | Regionales

Was die Mitgliedschaft in der WGfF mir gebracht hat

Mit einigen Tipps für andere Mitglieder

(Dieser Artikel erschien in Fortsetzungen in AGI 03/2012, 04/2012 und 01/2013)

Ende 1999 war ich auf einem Genealogentag bei den Mormonen in Heerlen, wo Herr Strack hinter einem WGfF-Tisch stand und mich, nach einem Gespräch über meine Aachener Vorfahren, einlud, Mitglied der Aachener Abteilung der WGfF zu werden. Ich habe die Einladung gerne angenommen, weil ich dachte, im darauf folgenden Jahr als Rentner mehr Zeit zu haben, auch in Aachen weiter zu suchen.

Diese meine späteren Forschungen (für reformierte Heiraten und Taufen wurde ich nach einem Register aus Vaals ins Stadtarchiv Aachen verwiesen) ergaben u.a. folgende Eintragung (s. Bild 1):

Bild 1: Auszug aus dem Register der niederländisch reformierten Kirche zu Vaals, Seite 193

Ich lese (im Register der niederländisch reformierten Kirche zu Vaals auf Seite 193), dass am 9. Mai 1647 heiratete:

Sie sind die Eltern von Peter Peters (oder Petters) aus Aachen. Leider brachten weitere Versuche, die Taufen dieser Eltern in Aachen, Burtscheidt und auch Stolberg (wegen Frankental) zu finden, nichts. Übrigens entdeckte ich erst später, dass das Register von Vaals auch in Maastricht einzusehen gewesen wäre.

Um weiterzukommen empfahl mir Herr Strack, einen Beitrag in der Zeitschrift "Genealogie ohne Grenzen" zu schreiben. Mitte Juli 2002 war mein Beitrag fertig und nach Ausbesserungen meines Textes durch Herrn Strack erschien er im Heft Nr. 55 desselben Jahres. Darauf bekam ich ein Schreiben von Peter Peusquens aus Karlsruhe, der meinen Beitrag gelesen hatte und dazu einiges mitteilen konnte, weil er meinte, aus der Bibliothek Karlsruhe in einem Taufbuch der niederländisch reformierten Kirche zu Frankenthal in der Pfalz den Namen Anna, Peter Schwarz Tochter gelesen zu haben.

Er hatte sich sofort das Buch wieder aus der Bibliothek geholt und das Wichtigste für mich abgeschrieben: Nämlich u.a. die Taufe am 30.11.1615 von Anneke Schwaertz, Tochter von Pieter Schwaertz und Anneke Lemonier, wobei Zeugen waren das Ehepaar Maria Lemonier und Cornelis Wilix, und die Heirat ihrer Eltern am 14.03.1615: Pieter Schwartz, Sohn von Andries Schwartz Bürger von Aachen und Anneke Lemonier, Tochter von Jacques LeMonier Bürger von Frankenthal. Peter Peusquens hat noch viele Seiten mehr für mich abgeschrieben. Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut. Später habe ich dann das Buch in der Bibliothek der Lütticher Universität selbst noch mal einsehen können.

Pieter Schwartz war also der Sohn von Andries Schwartz, Bürger von Aachen. So musste ich nach meinem Frankenthaler Ausflug nun wieder zurück nach Aachen, wo ich versucht habe, etwas über diesen Andries Schwarz zu finden. Zuerst leider nichts. Aber nachdem ich an einem dieser Abende der Bezirksgruppe Aachen eine Frage dazu gestellt hatte, kam Herr Baurmann zu mir mit einigen Kopien, die er aus einem Buch von Will Hermanns „Erzstuhl des Reiches“ gemacht hatte. Da habe er einen Andries Schwarz gefunden, der am 3.12.1616 auf dem Markt in Aachen als Rädelsführer zusammen mit Mathias Schmetz enthauptet wurde. Das hatte er parat, weil verschiedene Personen Baurmann im 17. Jh. mit Personen Schmetz verheiratet waren. Aus Hermanns Buch entnahm ich auch noch, dass Andries ein Kleiderverkäufer war und Frau und Kinder hinterließ (S. 222). Also: Andries Schwarz, nicht nur ein reformierter Bürger und Kleiderverkäufer aus Aachen, sondern dazu noch Rädelsführer, was könnte da passiert sein?

Leider kam ich im Aachener Stadtarchiv nicht weiter. Auf meine Frage nach Urkunden aus dieser Zeit (also um 1600) wurde mir gesagt, dass es die nicht mehr gab wegen eines Stadtbrandes im Jahre 1656. Auch reformatorische Taufbücher habe man da nicht. Also war auch ein Taufdatum von Peter Schwarz nicht zu bekommen. Und aus der Aachener Chronik von Johann Noppius das Urteil vom 3.12.1616 zu fotografieren wurde mir leider auch noch verboten.

Daraufhin habe ich in Düsseldorf weiter nach Unterlagen gesucht, aber ebenfalls wenig gefunden. Ich suche noch immer nach Aachener Erbschafts- und Auflassungsurkunden. In der Bibliothek in Maastricht habe ich mich weiter in diese Geschichte eingelesen. Zum Glück gab es da auch ein Exemplar von Noppius und eine sogar ältere Edition, die ich fotografieren durfte und also zu Hause ausarbeiten konnte.

Es stellte sich heraus, dass es um 1600 in Aachen einen Religionsstreit gegeben hat, wobei Bürgermeister und Rat zwischen Kaiser und Bevölkerung zerdrückt wurden und deshalb lieber die Seite des römisch-katholischen Kaisers wählten. Die Reformierten (und unser Andries gehörte dazu) versuchten eine eigene Kirche und Schule zu haben, aber das wollte der Kaiser nicht, obwohl Aachen Reichsstadt war, wo die Reformierten durch Einsiedlungen von Flüchtlingen aus benachbarten Ländern eine Mehrheit bildeten und nach dem Augsburger Religionsfrieden (1555) ihre Religion selber wählen konnten. Wo zuvor in Aachen noch Reformierte (also reformierte Mitglieder der Zünften) im Rat gewählt wurden, war das seit 1595 auch nicht mehr möglich. Weil die Reformierten keine eigene Kirche hatten, besuchten sie Predigten im Feld außerhalb der Stadt Aachen. Aber auch das wurde verboten. Obwohl es also verboten war, besuchte am 5. Juli 1611 eine größere Menge Reformierten eine Predigt außerhalb der Stadt. Aber jetzt wollte die Aachener Regierung mal sehr streng sein und lies fünf derer, als sie wieder in die Stadt Aachen herein kamen, fest nehmen. Erst wenn diese Gefangenen eine hohe Buße bezahlten, würden sie wieder freigelassen werden, so hieß es. Aber das war zu viel verlangt, fanden die Reformierten. Sie verlangten, dass „ihre Brüder“ ohne Buße frei gelassen werden. Dazu wollten die Reformierten am selben Tag noch eine Petition an den Bürgermeister anbieten. Darauf entstand über viele Tage eine Verhandlung mit für beide Seiten steigendem Ärger, über was eigentlich nicht zu verhandeln war, weil die zwei strittigen Auffassungen keine gemeinsame Lösung geben konnten. Die resultierende Eskalierung führte dazu, dass eine Gruppe von ungefähr 200 Reformierten mit Waffen das Rathaus einnahm, den Bürgermeister und Rat gefangen nahm, die Pforten, wo die Gefangenen saßen, aufschlossen und letztendlich eine „unkatholische Regierung“ bildeten.

Darauf beauftragte der Kaiser seinen General Spinola Aachen einzunehmen und wieder eine katholische Regierung zu bilden. Ende August 1614 nahm Spinola Aachen ein und es wurde auch wieder eine katholische Regierung installiert.

Mehr über diese Geschichte ist zu lesen in: A. Wesseling: „Die konfessionellen Unruhen in der Reichsstadt Aachen zu Beginn des 17. Jahrhunderts und ihre Unterdrückung durch den Kaiser und die Spanier im Jahre 1614.“; Dissertation, Straßburg, 1905.

Was hatten Andries Schwarz und Mathias Schmetz genau getan?

Wesseling schreibt darüber (S. 111): „... und M. Schmetz und A. Schwartz, die beim Ausbruch der Unruhen und bei der Vernichtung des kaiserlichen Mandates vom 1. Oktober 1611 eine Hauptrolle gespielt hatten und vom Rate gefangen gesetzt worden waren, ...“.

Ich nehme also an, dass die Beiden, weil Rädelsführer genannt, für diese bewaffnete Revolte zumindest mitverantwortlich waren.

In der Aachener Chronik lese ich u.a. (S. 'Anno 1616'), dass „... am 3. Decemb. ... zwey der Uncatholischen ihres groben unverantwortlichen Verbrechens halber mit Nahmen Mattheis Schmetz und Andries Schwarz, vor dem Rathaus gebracht...“ und durch ein speziell dazu installiertes Gericht zum Tode verurteilt und auf dem Markt enthauptet wurden. Auch sollten Hunderte von Reformierten mit Hinterlassung ihres Vermögens die Stadt verlassen und weitere unschuldige Reformierten sich wieder katholisch benehmen, wenn sie bleiben wollten.

Ich habe in Aachen also einen Andries Schwarz gefunden, aber auch nur weil er sich im Jahre 1611 unverantwortlich benommen hatte. Wenn er brav gewesen wäre, hätte Herr Baurmann mir keinen Hinweis geben können und hätte niemand mehr etwas über ihn erfahren.

Ob er auch der Vater von Peter Schwarz ist, sei noch zu beweisen.

Nachdem meine Nachforschungen nach Andreas Schwarz im Stadtarchiv Aachen, in Düsseldorf sowie in Maastricht zunächst festgefahren waren, bot sich mir dann im November 2007 an einem WGfF-Abend in Aachen eine neue Gelegenheit, mehr über ihn zu erfahren: Vorsitzender Strack hatte für einen Vortrag über Alt Aachen Herrn Josef Kriescher eingeladen. Während seines Vortrags erwähnte Herr Kriescher die Enthauptung am Aachener Marktplatz und zeigte sogar einen Stich davon (s. Bild 2). Als ich ihm von meinem besonderen Interesse für diesen Religionsstreit erzählte, konnte er mir tatsächlich weiterhelfen, und wie!

Bild 2: Enthauptung am Aachener Marktplatz 1616, Hinrichtung der Protestanten Schwarz und Schmetz, rechts die „Schandsäule“ (entnommen aus: Macco, Hermann Friedrich: Die reformatorischen Bewegungen während des 16. Jh. in der Reichsstadt Aachen, Leipzig 1900, S. 73.)

Herr Kriescher gab mehrere Kopien seiner Bilder, die sich auf diese Geschichte und Zeit beziehen, für mich bei Herrn Strack ab sowie ein Exemplar des Buches „Protestanten in Aachen“. Und er gab mir die Adresse des Archivars der evangelischen Gemeinde Dr. Johannes Wever. Eine Verabredung mit Herrn Dr. Wever brachte wieder eine neue Überraschung: es war gerade ein Buch aufgetaucht und digitalisiert worden, das allerhand Geschichtliches in Bezug auf Aachen bis 1648 in original-handschriftlichen Texten beinhaltete. Dr. Wever bat für mich bei seinem Vorstand um Erlaubnis, damit ich bei einem nächsten Besuch eine CD lesen und sogar für mehrere Monaten ausleihen konnte. Auf dieser CD fand ich u.a. einen Augenzeugenbericht der Hinrichtung beider Reformierten. Eine sehr emotionale Beschreibung.

Der Titel dieses Berichtes lautet:

Und am Ende des Berichtes kann man lesen …

... und dass ein / der Andries Frau und Kinder hatte und auch reformiert war wie Peter Schwarz in Frankenthal. Diese Seiten muss auch Dr. W. Hermann gelesen haben, sonst hätte er Frau und Kinder von Andries Schwarz nicht erwähnen können. Weil hier aber Andreas’ Beruf nicht erwähnt wird, bleibt die Frage, wo Dr. Hermann gefunden hat, dass Andreas Kleiderhändler war.

Mit dieser Erfahrung wurde mir übrigens auch klar, dass es doch noch Urkunden und andere zeiteigene Dokumente aus der Zeit vor dem Stadtbrand gibt. Vielleicht nicht im Stadtarchiv (was bedauerlich ist für eine Reichs- und Kaiserstadt wie Aachen), aber irgendwo, zerstreut, wo diese leider schwer zu finden sein werden.

Der Rädelsführer Andries Schwarz könnte also der von mir gesuchte Vater von Peter sein, aber ich möchte mehr Beweise haben. Dass er einen Sohn Peter hatte, zum Beispiel. Oder dass es in Aachen damals nur einen Andries Schwarz gab. Darüber hinaus möchte ich auch den Namen seiner Frau kennen. Antworten auf diese Fragen wird es kaum noch geben, fürchte ich.

Also spekuliere ich: Gesucht wird der Vater Andries von Peter Schwarz, Bürger von Aachen. Jeder der damals in Aachen beruflich tätig sein wollte, musste Bürger von Aachen sein oder werden. Der enthauptete Andries Schwarz muss also Bürger von Aachen gewesen sein. Wenn es zwei Bürger mit dem selben Namen gegeben hätte, wäre zum Unterschied einen Nachnamen hinzugefügt worden. Zum Beispiel: „der Kleiderhändler“. Weil es den aber nicht gibt, kann man schließen, dass es im Jahre 1616 sehr wahrscheinlich nur einen (reformierten) Andries Schwarz in Aachen gegeben hat. Das hat auch Dr. Wever gemeint. Also nehme ich an, dass ich sehr wahrscheinlich den gesuchten Vater gefunden habe.

Weil sein Sohn Peter 1615 Anneke Le Monier heiratete, die zwischen März 1589 und Mai 1594 geboren sein muss (ich versuche noch herauszufinden, wo die Familie zu der Zeit gelebt hat), gehe ich davon aus, dass Peter bei seiner Heirat nicht viel jünger als 25 Jahre alt war. Aus Erfahrung nehme ich weiter an, dass dessen Vater bei seiner Heirat auch nicht viel jünger als 25 Jahre alt gewesen sein wird. Daraus folgere ich, dass Andries im Jahre 1615 ungefähr 50 Jahre alt gewesen sein muss. Er könnte also um 1565 geboren sein. Wer hat gegen diese meine Annahmen etwas einzuwenden? Ich höre es gerne.

Einige Zeit später, als ich die ausgeliehene CD zurück brachte, erzählte Dr. Wever mir, dass es einen Aachener Promovendus gab, der seine Dissertation über die Geschichte des Protestantismus in Aachen schreiben wollte, auch bei ihm zu Besuch war und sich auch diese CD ausgeliehen bekommen hatte. Dr. Wever war bereit, ihm meine eMailadresse zu geben, so dass der Promovendus mit mir in Verbindung treten konnte. Anfang 2009 schickte Herr Thomas Kirchner mir eine eMail und konnte ich ihm mein Anliegen klar machen.

Ein Jahr später meldete Herr Kirchner mir, dass er den Beruf von Andreas Schwarz gefunden hatte. Er wurde in einer Konzept-Urkunde erwähnt, die er im Aachener Stadtarchiv gefunden hatte und von der er mir auch die Inventarnummer gab. Ich habe im Archiv die erwähnte Nummer Aachen RA II Akten Nr. 869; folio 156r kommen lassen und da hieß es u. A. (und schwierig zu lesen, s. Bild 3):


Bild 3: Auszug aus Aachen RA II Akten Nr. 869; folio 156r, unten: Abschrift des Auszugs

Da haben wir die Quelle, von der Dr. W. Hermann sein Wissen haben könnte. In diesem dicken Lias „Aachen RA II Akten Nr. 869“ waren mehrere Dokumente zusammengebunden. Als ich von Anfang bis Ende alles durch zu lesen versucht hatte, fand ich auf Folio 195r noch Folgendes vermerkt (s. Bild 4, siebente Zeile unter „Maschier Mittel Portz“):

Bild 4: Auszug aus Aachen RA II Akten Nr. 869, folio 195r

Erst wieder zu Hause, ging mir auf, dass es sich hier um eine Gefangenenliste handeln muss, und dass das ganze Dokument und nicht nur diese Seite wichtig ist.

Leider ist das Stadtarchiv momentan geschlossen, weil im Umzug begriffen und daher muss ich noch eine Weile warten, um darüber mehr Klarheit zu bekommen.

Aber ich fand noch mehr Interessantes. Auf Seite 189 fand ich (s. Bild 5):

Bild 5: Aachen RA II Akten Nr. 869, Seite 189 oben rechts zwei Personen mit Vornamen Andrieß

Oben rechts werden zwei Personen mit Vornamen Andrieß erwähnt. Der Obere ist Andries Schwartz und der Andere ist Andries Geilenkirchen. Hinter ihren Namen steht jeweils eine Ziffer. Hinten Schwartz steht die 15 und darunter steht die Ziffer 6. Dann folgen die Personen mit Vornamen anfangend mit B. Was dürften die Ziffer bedeuten? Eine Buße vielleicht?

Es ist klar, dass in dieser Angelegenheit noch längst nicht alle Fragen beantwortet sind. Was ich hier alles beschrieben habe, hätte ich aber ohne meine Mitgliedschaft der WGfF (Abteilung Aachen) niemals herausgefunden.

Ich möchte mich daher bei allen, die dazu beigetragen haben, recht herzlich bedanken.

Anton van Reeken
Maastricht, im März 2013